Dorfbarock

Führung durch die Voerder Kirche in Begleitung von Armin Kunze. Diese Führungen wurden im Jahre 2019 am 7. April und 21. Juni durchgeführt. Hier publizierter Text entspricht der Tonaufnahme.

Wir gehen einmal um die Kirche herum.

Die Idee der Stadtführungen zum 70. Jubiläum der Stadt geht auf Roman Krużycki zurück, der hier neben uns steht. Er möchte, dass das heute aufgezeichnet wird.

Ich fange mal mit einer netten Frage an: Schauen Sie bitte mal hoch, und sagen mir mal, wie hoch der Kirchturm ist.

Bis zur Kugel sind es genau 40 Meter.

Hier auf dem Platz, auf dem wir jetzt stehen, war der alte Kirchhof. Der Kirchhof ist der Friedhof gewesen. Der war in Betrieb bis vor 190 Jahren. 1829 wurde der Kirchhof hier aufgegeben und der Friedhof da, wo er jetzt ist, gegründet. Interessanterweise, wenn Sie sich mal umdrehen, ist die Schwelle am Haus Görke ein Grabstein. So einfach ist man damals mit den Dingen umgegangen. Wenn wir dort jetzt hinüber gehen würden, würden wir dort noch zwei Grabsteine liegen sehen. Das Material, dass hier lag, wurde damals dann beim Hausbau weiterverwendet.

Wenn Sie jetzt auf die Kirche gucken, dann sehen Sie das jüngste Teil unserer Kirche. Da sehen Sie vor allem die Jahreszahl, wann die Kirche gebaut wurde. Das kann man gut erkennen. Im Jahr 1780 wurde die Kirche erbaut. Das ist das jüngste Teil unserer Kirche. Im Grunde ist das die dritte Kirche hier an diesem Platz.

Man geht davon aus, dass ungefähr um 1300 ein Steinkirche gebaut wurde, die im 16. Jahrhundert erweitert wurde, die dann im 18. Jahrhundert abgebrochen wurde und dann Ende des 18. Jahrhunderts das Mittelteil unserer heutigen Kirche, genauer gesagt 1780, gebaut.

Ostern wurde die alte Kirche abgebrochen, und im Jahr darauf, am dritten Advent die neue Kirche eingeweiht. Anderthalb Jahre haben sie gebraucht, um die Kirche, so wie sie hier steht, mit Dachstuhl und allem drum herum, zu errichten. Am dritte Advent 1781 wurde die Kirche eingeweiht.

Wenn man genau hinschaut, sieht man hier Haarrisse. Risse sind immer da, wo vorher Türen waren. Die bekommt man nie komplett zu. Damals gab es auf der Nord- und auf der Südseite Eingänge. Da gab es noch nicht die Treppenaufstiege. Der Turm stand damals alleine. Die Stürze über der Tür mit den Inschriften, die schauen wir uns später an, die waren dann hier auch zu sehen. Neu gebaut wurde die Kirche 1780 – 1781, weil sie zu klein geworden ist. Da man gerade 50 Jahre vorher, 1735, die Sakristei neugebaut hat und der Turm auch relativ neu war, hat man die Kirche abgebrochen, die Sakristei im Osten und den Turm im Westen stehen lassen, und hat in der Mitte neu gebaut. In die Länge konnte man nicht weiterbauen, so dass man links und rechts jeweils ca. 4 Fuß, also 1,20 m, angebaut hat.

Dazu kommt die Geschichte von Voerde. Voerde muss ein unglaublich bedeutendes Dorf gewesen sein. Man hatte eine Steinkirche aus dem 13. Jahrhundert, davor gab es eine Holzkirche, die so hoch war, wie die heutige Sakristei. Aus den Unterlagen weiß man, dass die neue Sakristei 1735 so hoch gebaut wurde, wie die alte Kirche war. Das war unglaublich für das Dorf, dass aus der Lindenstraße, drei Häuser in der Wilhelmstraße, drei Häuser hoch zum Wiemerhof und zwei Häuser Milsper Straße bestand. Hier lebten reiche Handwerker und Bauern. Weiter führte hier eine berühmte Handelsstraße durch mit den Richtungen über die Aske nach Dortmund, Lindenstraße nach Frankfurt und München.

So kam es, dass die Kirche relativ groß war für ein so kleines Dorf.

1829 wurden die Grabsteine erst in die Kirche und dann bei der Renovierung außerhalb der Kirche repräsentativ angebracht.

Hier sieht man sehr schön die Ringanker mit den Zahlen, 1735.

Der Erbauer dieser Kirche hieß Reichenbach, Pfarrer Reichenbach. Pfarrer Reichenbach war ein sehr junger Pfarrer, der in der Mitte des 18. Jahrhunderts hierher kam. Er hat eine Schule gegründet, deswegen hat man ihm zu Ehren das Gymnasium Reichenbach Gymnasium genannt. Außerdem hat er die Kirche bauen lassen. Seine Initialien sind in den Mauern der Kirche zu sehen, P. S. Reichenbach.

Ich habe mich oft gefragt, was die Zeichen neben der Initialien bedeuten. Ich habe selbst recherchiert und bin darauf gekommen, dass es einen Pfarrer gab Kaspar Melchior Hüttmann. Und da ist das P., das M. und das H. Er hat zu der Zeit hier gewirkt als die Sakristei erbaut wurde, also 1735.

Hier kann man auch nochmal den Eingang auf der Nordseite erkennen. Auf diesem Kirchplatz stand immer auch ein Pfarrhaus bis 1889. Bis dann im Pfarrgarten, auf der Pfarre, das ist der Kartoffelacker bzw. das Land, von dem der Pfarrer sich ernährt, das neue Pfarrhaus gebaut wurde.

(…) Anno 1780 Pastor Reichenbach. Und das sind die Türstürze genau so der andere – das ist ein Bibelwort (Johannes ?) in Mitte der Tür.

Jetzt gehen wir rein in die Kirche.

Das was Sie jetzt sehen – Treppenturm ist erst von 1919 – da geht man durch die Seiten oder durch den Haupteingang des Turmes – das ist erst seit 1919. Das hier die Treppentürme sind erst 1914 gebaut worden. Vorher ging man durch die Seiten oder durch den Turm. Bis dahin ging man durch die im Norden und Süden befindliche Seiteneingänge und durch das Hauptportal, die Haupttür.

An den Wänden sind die Gefallenen aus dem ersten Weltkrieg.

Die Eingänge nach 1914 aus Beton – man sieht an den Rissen, dass es nicht miteinander verbunden ist.

Jetzt frage ich mal – was fällt auf in dieser Kirche? Wenn sie zum ersten Mal hier reinkommen?

Sieht aus wie eine katholische Kirche.

Was fällt noch auf?

Altar, Kanzel, Orgel.

Was Sie hier sehen ist das Original aus dem Jahre 1780/81 und das war die Zeit des Barocks. Man hat sich hier einen Barockaltar hingestellt. Das Besondere ist, dass die Hülle hier 1780/81 neu gebaut wurde. Aber der Altar ist vom 1705. Der ist also in der Barockzeit in die alte gotische Kirche gekommen. Das hat nichts mit katholisch oder evangelisch zu tun – das waren die Formen des Barocks – also gold, farbig, ausgeschmückt.

Der Altar von 1705 war nicht zusammen – der Alter war hier natürlich und die Kanzel war an der Seite, so kann man es nachlesen. Das war wahrscheinlich mit der Höhe nicht zu machen in der Vorgängerkirche. Die Kanzel stand an der Seite an einem Pfeiler – in der Vorgängerkirche gab es keine Empore, der Altar dort wo auch jetzt steht und an der Westseite, an der Stirnseite die Orgel.

Dann hat man die Kirche abgebrochen. Weil das aber ein besonderes Stück war, von einem Herrn Gencke aus Meinerzhagen 1705 gebaut, hat man das 80 Jahre später 1781 in die fertige Barockkirche gebaut. Das war eine barocke Dorfkirche mit den geschwungenen Emporen, mit der barocken Malerei. Dann ist ein protestantisches Bekenntnis entstanden – diese drei Hauptstücke in Mittelpunkt stellen, übereinander: der Altar – der Tisch des Herrn, das Abendmahl, die Predigt – die Kanzel und das Lobgott – das Orgelprospekt darüber. Das hat man zusammengefasst. Wenn man sich für die Kirchen interessiert und durch Mitteldeutschland fährt – Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen – findet in jeder Dorfkirche so ein Gesamtkunstwerk. Ein sog. Kanzelaltar, so nennt man es bei den Kirchenarchitekten. Also dieses „dreifache übereinander“ das ist das Lutherische Programm, das ist evangelisch, das ist evangelisch, hat nichts mit katholisch zu tun. Rechts sind Aposteln zu sehen.

Da wären sie: an der Kanzel sehen wir die vier Evangelisten, schön dargestellt mit den Büchern – Männer mit Bärten und Büchern sind immer Evangelisten. Die christliche Ikonografie hat für jeden besonderen Menschen ein Symbol – die vier Evangelisten haben jeweils ein Symbol und Buch in der Hand. Der Herr da, den kennen Sie auch, was hat er in der Hand? Einen Schlüssel – wer ist das? Petrus – den erkennen Sie blind – es wird gesagt da ist einer mit dem Schlüssel, das ist Petrus. Immer, immer Petrus.

Den Herrn erkennen Sie auch? Paulus. Warum? Weil er ein Schwert hat. Wenn Sie irgendwo sind, angefangen von Norddeich bis nach Sizilien und einen Herrn mit dem Schwert sehen und einem Buch in der Hand- es ist Paulus, egal wie er aussieht – ob er einen Irokesen-Schnitt hat oder sonst was – immer Paulus. Da oben wird es etwas komplizierter: auf der rechten Seite – der Herr was hat in der Hand? Eine Tafel mit 10 Geboten, einmal 1 bis 3, einmal 4 bis 10 ist immer Mose. So ein Herr mit Zahlenwerk in der Hand ist immer Mose. Und der Herr hier auf der linken Seite, der hat was in der Hand? Einen Stab, das ist der Hohepriester Aaron, also Aaronstab.

Die Heiligen haben immer ein Symbol und Evangelisten auch.

Interessantes ist, dass diese Kirche bis 1689 Filialkirche, also Zweigstelle von Hagen war. Erst 1689 hat die Voerder Gemeinde durchgesetzt, dass sie eine eigene Pfarrerwahl hatte. Sie hatten einen Pfarrer, der lange Zeit hier agiert hat und dann haben sie einen neuen Pfarrer gewählt und haben es einfach gemacht. Dann hat der Hagener Pfarrer gesagt „Stopp, Stopp, einen anderen setzte ich ein, weil ich von ihm Geld kriege“. Also die Filialpfarrer mussten an den Hauptpfarrer Geld bezahlen. Davon hat er auch gelebt. Dann hat sich Voerde, da war Voerde schon preußisch, gehörte zu Grafschaft Mark, und damit zu Brandenburg, dann gab es ein Rechtsstreit. Und 1689 wurde bestätigt, dass Voerde selbstständig ist. Sie waren schon immer selbstständig, weil sie ganz stark waren, aber offiziell hatte der Pfarrer das sog. Kollationsrecht in Hagen, also spricht das musste das bestätigen. Dafür hatte er offenbar paar Mark dafür gekriegt, also Abgaben. Und das war die Johannes Kirche in Hagen. Man findet aber die Johanneskirche hier in Voerde. Man findet z.B. was verwunderlich ist, keinen Johannes den Täufer hier. Ich habe keinen hier gesehen in der Kirche. Das wundert aber so ein bisschen, weil das immer Johanneskirche war. Ganz früh belegt, gewidmet dem Patron, Johannes den Täufer. Den Evangelisten Johannes, den finden wir.

Dieses schöne Stückchen ist aus der Zeit, zwei Jahre jünger als der Altar, von 1707. Und was taucht da drin auf? Von der Form her? Ein Oktogon hier oben aber wie sieht der Taufstein aus? wie ein Kelch. Das korrespondiert mit dem Abendmahl. Da taucht der Kelch wieder auf. Das finde ich genial! Und das ist das protestantische Bekenntnis – das Taufstein gehauen wird in Form eines Kelches.

Wenn wir jetzt das Altarbild angucken – dort sitzen um die Abendmahlszene versammelt, so wie es die Bibel erzählt, so wie sich am Gründonnerstagabend ereignet hat: Jesus im Kreis seiner Jünger. Das war die Zeit des Patriarchats, also sind da, die Frauen sehen es mir nach, leider keine Frauen abgebildet, aber ich gehe mal davon aus, auch aus den Biblischen Geschichten, die wir kennen, dass Jesus sehr viele Nachfolgerinnen, also Frauen auch hatte. Maria Magdalena z.B. taucht immer wieder auf, also das ist etwas einseitig gemalt und dargestellt, so wie sie die Bibel beschreibt, aber wir dürfen die Frauen auch hinzudenken.

Was passiert hier, gucken Sie sich das mal an, diesen Vorhang hier:

Früher nannte man es etwas spöttisch „Gelsenkirchener Barock“, kennen Sie das, diese schweren Vorhänge im Wohnzimmer die mit den Kordeln an den Seiten gehangen wurden? Das war das Wohnzimmer unserer Großeltern. Und hier hat der Künstler wirklich eine Botschaft mit drin – dieser Vorhang ist eigentlich zu. Was ist das? Dieses Bild schildert uns hier findet die Opferung Isaak. Eine Geschichte aus dem Alten Testament: der Priester im Alten Testament was der Hohepriester, der einmal im Jahr ins Heiligtum ging und die Gemeinde war immer außen vor. In verschiedenen Abstufungen, aber der Vorhang war immer dicht. Und einmal im Jahr, am Versöhnungstag, Jom Kippur, ging der Priester in das Allerheiligste.

Mit dem Neuen ist der Vorhang weggezogen! Schön hoch gehängt, mit den Goldkordeln festgebunden für immer. Wir haben mit Jesus, mit Christus sozusagen den Zugang immer und jetzt – der Vorhang ist weggezogen. Das ist eine super Botschaft. Und hinter dem Vorhang ist das Neue dargestellt – Jesus im Kreis seiner Freunde. Gründonnerstag. Die Gemeinschaft repräsentiert wird durch das gemeinsame Essen und Trinken. Und was gibt es Schöneres als mit Freunden zusammen zu sitzen, essen und zu trinken und zu feiern.

Das machen wir doch – das ist die höchste Form von Gemeinschaft. Wenn wir Leute zuhause haben und sagen „Komm, wir essen gemeinsam wir trinken gemeinsam, wir feiern gemeinsam.“ Und das passiert hier – der Vorhang ist weggezogen und festgenagelt. Und wir sind alle dabei. Diese Gemeinschaft setzt sich fort mit uns. Wir sitzen gedacht mit an diesem Tisch – hier ist ein bisschen Platz und da ist ein bisschen Platz – wir sind alle schlank, da passen wir hin. Und wenn noch paar mehr Leute kommen, stellen wir noch paar Bierbänke dazu und machen den Kreis größer. Das ist die Botschaft – das ist die hohe christliche Verkündigung, oder was auch immer man dazu sagen lässt.

Dieser Altar spricht Bände, könnte man sagen. Es steckt etwas dahinter. Wir sind eingeladen, wir gehören dazu. Egal ob dick oder dünn, groß oder klein, evangelisch oder katholisch – wir gehören mit an diesen Tisch. Das kommt in diesem Abendsmahlsbild, in diesem Altar insgesamt zum Ausdruck. Ich finde, das ist es wert gewertschätzt zu werden und ein der schönsten Stücke hier im Märkischen, Bergischen Kreis. Das hat ein Dorfmaler aus Dortmund gemacht, Herr Haug aus Dortmund. Damals ist Dortmund auch ein Dorf gewesen. Der gleiche Maler hat auch die Deckenbemalung gemacht – das ist alles von 1735 und von 1781 – die Decken.

Wir gehen gleich mal hoch und gucken uns genauer an. Aber vorher zeige ich Ihnen ein Stück, das kostbarste Stück, was wir haben, weil das ein Stück aus der alten gotischen Kirche ist und Sie werden gleich von Erstaunen in Ohnmacht fallen.

Das gehört zur Vorgänger Kirche. Auf alle Fälle ist das was Gotisches. Sandstein. Das ist die Spitze eines gotischen Sakramentshäuschens, eines Tabernakels. Also der Aufbewahrungsort der Hostien. In der katholischen Kirche gibt’s immer wertvolle und künstlerisch wertvoll gestaltete Tabernakel, also sprich die Aufbewahrungsorte für die Hostien nach dem Gottesdienst. In der Nähe brennt doch das ewige Licht. Im Kölner Dom findet man es ganz groß, so ein gotisches Teil.

Das die Spitze eines Tabernakels hier aus der Johanneskirche. Nur die Spitze. Sie können sich vorstellen, wie das im Original groß war. Das denken Sie sich bitte für das Jahr 1306 nach Voerde. In das Dorf Voerde, in diese Bauernschaft Voerde. Das ist wirklich unglaublich. Das hat man 1914 bei den Renovierungsarbeiten hier im Fundament gefunden, leider ist hier, hinter der Kanzel ein bisschen versteckt. Aber ich finde, das passt nicht in die Barocke Kirche nach vorne. Hier ist eine Inschrift drin, die kann man entziffern: „Ludovicus Klutze und Petrus von der Asbecke“. Der Ludovicus Klutze war Pfarrer Anfang des 14. Jahrhunderts, 1306, und Petrus von der Asbecke, also Petrus aus der Aske, war ein reicher Mensch, der dieses Sakramenthäuschen gestiftet hat, also bezahlt hat. Ein gotisches Teil. Ähnliches findet man in Köln, in Frankreich, aber das hier, in Voerde das ist verwunderlich.

Jetzt gehen wir in die Sakristei. Das hier ist alles von 1735. Die Dielen sind von 1735. Wenn wir am Boden gehen – die Eichenbretter die da drüber sind, sind von 1735.

Jetzt gucken Sie sich das Schloss hier an: wunderbares Werk, ein Schlüssel einstecken, wer hat ein Schlüssel, ist stecke diese Schüssel da rein und stecken diese Schlüssel da rein – ist versetzt, sehen Sie das? In der Höhe und in der Tiefe versetzt. Gleichzeitig mit zwei Schlüsseln, von beiden Seiten kann man das Schloss schließen. Das finden Sie mal irgendwo! Das ist Handwerkarbeit, sage ich Ihnen, wow! Herrlich! Und ich hab’ sogar Schlüssel dafür. Es funktioniert. Diese Stiege hoch zu Kanzel, natürlich von der Berufsgenossenschaft nicht abgenommen, also sagen es nicht weiter, wenn sie nämlich kommt, sperrt sie.

Und das hier ist unser Tresor. Alles aus dieser Zeit, wunderbar. Die Stühle nicht, natürlich, die kamen später. Hier ist der Tresor. Wer macht den auf, der kriegt 5 Euro von mir. Der Schlüssel? Es ist aufgeschlossen. Machen Sie die Schublade auf. Reißen sie mir nicht den Schlüssel ab. Es ist nichts drin. Es ist ganz einfach – (Bewegung) – cool , wohl?

Jetzt gehen wir nach oben.

Hier war die Eingangstür, und dann ging hier die Treppe hoch auf die Empore und da genauso. Und daneben stand ein Kanonenofen, so einen riesen Fass, mit dem man beheizt hat. Bis 1914.

Wie viele Menschen finden in der Kirche Platz, unten und oben?

Unten: 230 und oben 350.

Das Treppenhaus ist von 1914.

Oben auf der Empore; Die Bänke die wir jetzt sehen, sind von der Tischlerei Robeuken gebaut worden. Diese Tischlerei Robeuken war hier vorne am Wiemerhof, wo die alte Frau Cramer gewohnt hat, auf der rechten Seite. Also gegenüber vom Kindergarten diese Häuser. Die Frau Appel, die es immer noch gibt, das ist die Tochter von dem Tischler Robeuken. Die ist jetzt schon über 80, Ende 80. Diese Tischlerei der Vater die haben das 1914 diese Bänke gebaut. Und vorher gibt es Fotos daraus, vorher gab es auch kein Mittelgang. Ich habe ein Foto von der alten Kirche, da ist in der Mitte die Bank zugemacht. Da konnte man nur von zwei Seiten bis in die Mitte gehen, da war so ein Brett dazwischen, also auch kein Mittelgang. Auch schon vor 1914 nicht. Das ist verwunderlich, weil es schon immer den Turm als Westeingang, als Haupteingang gab. Gab kein Mittelgang. Dann hat man 1914 die Bänke neu gebaut in der ganzen Länge.

Wir werfen jetzt einen Blick auf den Altar hin. Wir sehen ihn sehr schön. Ich fange mal oben an. Da sehen Sie den Pelikan. Also ich sage Ihnen das es einer ist, natürlich ein bisschen stilisiert. Der Pelikan ist auch ein Zeichen für den christlichen Glauben. Also Zeichen für Christus. Der Pelikan, so erzählt ja die Geschichte, nährt seine Jungen in der Not in dem er sich Fleisch aus dem eigenen Körper reißt und die Jungen füttert. Also von sich etwas geben für andere. Es ist in der christlichen Ikonografie, in der christlichen Bildsprache der Pelikan immer ein Zeichen für Christus, also ein Christuszeichen. Den finden Sie oben im Orgelprospekt.

Dann haben Sie einen Medallion, den man von unten nicht sieht, weil der Schalldeckel davor hängt. Wir sehen von hier sehr schön – die Himmelfahrt Christi und da als Figur Christus als Weltenrichter mit der Weltkugel und dem Kreuz oben drauf in der Hand und dem Friedenszeichen. Sie sehen Christus als Weltenrichter.

Die Putten mit Trompeten und Flammen-Schwerter. Die Kanzel, rings rundum um die Kanzel sind die vier Evangelisten gezeichnet, die Figuren haben wir grade schon mal erwähnt. Hier sehen wir sehr schön den Petrus mit dem Schlüssel. Das ist ein Kunstwerk von 1735. Barocke Maße! Erst getrennt – Kanzel und Altar waren getrennt, Orgelprospekt kommt später. Da gab es andere Orgelprospekte, es gab immer Orgel hier. Die erste Orgel, kann ich Ihnen sagen, wann sie gebaut wurde, die Jahreszahl, das Orgelprospekt von 1914. Danach gab es die neue Orgel Führer aus den 70-ger Jahren, 1976 wurde hier eingebaut und sind so erhalten. Das ist neu barockes Prospekt. Was ich damit sagen wollte – barockes Maß. Wenn ich da stehe, bin ja bisschen größer, nein, normal groß, und wippe, stoße ich mit den Haarspitzen an die Taube, beim Heiligen Geist an. Unsere Vikarin, die Frau Klein, sie ist etwas kleiner als ich, für sie ist es gut gebaut worden die Kanzel. Und diese Brüstung geht mir nur bis hier (Schritt). Das sind barocke Maße von Anfang des 18. Jahrhunderts. Also in den alten Häusern stößt man sich den Kopf an den niedrigen Decken an. Das ist aus dieser Zeit.

In der Vorgänger Orgel, es gibt’s Fotos davon, Sie kennen es vielleicht noch, war der Spieltisch hier, an der Empore. Also Herr Dettmar konnte noch hier herunter gucken und die Gemeinde sehen. Hier war der Spieltisch und dann mit der Neubau der Orgel, Führer aus Wilhelmshafen, die gibt es leider nicht mehr, ganz besonders kostbare Orgel, 1976, ist dann der Spieltisch hinter dem Altar gekommen. Deshalb ist der Durchgang in dem Mauerwerk belassen worden, weil die Kirche hier, in der Ostwand, hier abschließt, wie in einem Kasten.

Ich kann keine Orgelführung machen aber ich frage mal wie viel Orgelpfeifen sind dadrin? Ungefähr? 1954, knapp 2 000 Pfeifen. Die kleinsten sind paar Zentimeter groß, die größten sehen Sie hier. Die erste Orgel ist hier reingekommen in die Kirche 1664. Diese ist die fünfte Orgel hier. Damals mit Blasebalg. Mittlerweile wird er elektrisch betrieben, da muss keiner mehr pusten. Er ist hinten im Küsterstübchen, auf dem Boden. Wenn man da wäre, dann könnte man ihn hören. Wie ein Kompressor.

Hier, an der Decke, sind die vier Evangelisten: Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, mit ihren Symbolen. Fällt Ihnen etwas auf: also vier Männer, einer davon sieht aus wie eine Frau, ist aber nicht. Interessant ist es, egal wo Sie hinkommen, Köln, Mailand, oder Florenz, in die Kirche gehen, sehen Sie die vier Evangelisten – der Evangelist Johannes wird immer feminin gezeichnet, mit femininen Zügen. Hier hat der Maler ordentlich übertrieben – mit Oberweite und Taille. Meinen Konfirmanden kann ich nicht erzählen, dass es ein Mann ist. Sie sagen „Du spinnst“. Aber es ist Johannes – er wird immer mindestens ohne Bart und sehr feminin gezeichnet. Man sieht es auch an Symbolen – das ist der Adler. Und hier vorne ist auch Johannes, auch der junge Mann, auch ohne Bart, immer mit dem Adler und mit dem Buch und mit dem Stift – das ist der Evangelist Johannes.

Dahinter der Stier, ist für Lukas, da, der Löwe, ist für Markus, kann man sich gut merken – Markusplatz in Venedig – da laufen laute Löwen rum, nein, stehen an den Säulen. Matthäus mit einem Engel gezeichnet – hier ist ein Kind und dort ist ein Flügel angedeutet. Also Matthäus immer mit dem Engel.

Dann haben wir vier Gemälde, die Heilstaten Christi zeigen: angefangen von dem Weihnachtsbild, Lukas II erzählt die Weihnachtsgeschichte, die Kreuzigung, die Auferstehung und die Himmelfahrt.

Jetzt gucken Sie sich das Weihnachtsbild an – was zeigt der Maler von 1781? So sind sie damals in Voerde rumgelaufen – barfuss, die Frauen weite Gewänder, die Schürze halt drüber gebunden, die Männer mit Arbeitshosen. So sahen die Leute 1781 in Voerde aus. Und hier auch. Man kennt keine Gesichter aus dieser Zeit. Aber der Maler hatte sicherlich ein geistiges Bild vor Augen, er wird einem gezeichnet haben. Aber so haben die Leute ausgesehen – die Frau mit dem Korb, mit den Eiern, ein Huhn dabei, eine Frau kommt gerade vom Wasserholen – mit einem Krug auf dem Kopf – so haben sie gelebt. Und genauso sieht man diese Gewänder an den anderen Bildern – das waren die Gewänder zu dieser Zeit. Die Soldaten bei der Auferstehung und da, bei der Kreuzigung die Frauen vor dem Kreuz.

Die Emporen sind erst reingekommen mit dem Neubau, also 1781.

Die Figuren sieht man von vorne – man hat das Material gespart. Das ist handwerkliche Frage. Man nennt es „Dreiviertelplastik“ in der Kunstgeschichte. Wenn man nicht so viel Material hat. Hinten ist nicht so wichtig – wir schminken uns auch nur von vorne.

Das mit dem Jüngling Johannes – warum wird er als feminin gezeichnet – richtige Erklärung gibt es nicht, aber in der Kunstgeschichte ist das schon ewig, dass man Johannes mit femininen Zügen zeichnet. Es geht zurück an diese Geschichte, dass Jesus am Kreuz seiner Mutter sagt: „Maria das ist dein Sohn“ und zu Johannes „Johannes, hier ist deine Mutter“. Man geht davon aus, dass in der Tradition der Jünger auch der Evangelist ist. Er war ein Jüngling, ein Junge – an jenem Bild des Jungseins ist die Tradition entstanden, dass er als Jüngling ohne Bart, nicht als Mann gezeichnet wird. Historisch ist es quatsch, der Evangelist war nicht der Jünger Johannes. Das ist erst später zusammengekommen. Diese Erklärung findet man in der Literatur, warum Johannes immer als Jüngling ohne Bart – Bubi würde man heute sagen, dargestellt wird.

Die historische, biblische Wissenschaft geht ganz sicher davon aus, und dafür gibt es hundertprozentige Belege, dass Jesus ein Freund der Frauen war. Warum? Weil er den Menschen nah war, die sonst gesellschaftlich ausgeschlossen waren. Frauen waren wie Sklaven – lebende Werkzeuge. Also galten nichts. Aber Jesus hatte sich diesen Menschen besonders zugewandt hat. Also wird er ganz viele Frauen gehabt haben. Und nicht umsonst sind es die Frauen, die das leere Grab entdecken. Den Frauen haben wir es zu verdanken. Männer waren keine Helden. Die waren längst weg und haben sich versteckt. Und würde die Bibel nicht erzählen, wenn das nicht wahr wäre. Was historisch unwahrscheinlich ist, was aufgeschrieben ist, das gilt als wahr. Wo das normale unterbrochen wird, das erzählt wird, das ist für die Historiker Grund zu Annahme, dass es richtig ist.

Dennoch hat der Maler deutlich übertrieben – mit der Taille und mit der Oberweite hat sich Spaß gemacht. Er wird sich gedacht haben – den Voerder Bauerknochen werde ich ein Ei ins Nest legen. Aber er ist wirklich nicht der einziger. Gehen Sie in jede Kirche, wo die Evangelisten in dieser Zeit dargestellt werden, finden Sie Johannes immer ohne Bart, frisch rasiert.

Fragen:

Sind die Malereien zwischendurch restauriert worden? Nein, es ist alles original aus dem Jahre 1781.

Die Decke ist aus Holz.

Wir haben vor 5 Jahren die Kirche draußen gestrichen.

Gab es andere Lampen in der Kirche? Weiß ich nicht, ich kenne nur die hier.

Mit dem Bau der Seitentürme für die Treppen, hat man unten zwei Kellerräume gebaut.

Wir haben Kirchenbücher, Unterlagen, Urkunden, die gehen zurück bis ins 15. Jahrhundert. Die Unterlagen sind im Kirchenarchiv (Landeskirchenarchiv) in Bielefeld und dort können sie angesehen werden.

Der Friedhof wurde 1825 gemacht. Der Friedhof an der Kirche wurde 1800 aufgegeben. Er hat weiter existiert und die Umbettungen wurden vielleicht später, aber ab 1830 wurde nur auf dem neuen Friedhof beerdigt. Das ist interessante Frage – natürlich wenn der Friedhof hier nicht mehr belegt wurde, bestand natürlich weiter. Um 1830 hat man aus diesem Kirchplatz keinen Parkplatz gemacht. Brauchte man nicht – die Bauern sind nicht mit der Kutsche vorgefahren. Also der Friedhof hat weiter existiert – 30 – 40 Jahre. Dann im Laufe der Zeit wurden wahrscheinlich die Gräber aufgelöst, als man dann den Platz gebraucht hat.

Das Denkmal, vor dem wir vorstanden, ist nach den Reichskriegen 1873 gebaut worden. In dieser Zeit, kann ich mir vorstellen, 50 Jahre später, dass man den Friedhof aufgelassen hat, dass man die Grabstellen abgeräumt hat und die Schmuckgrabsteine in die Kirche gestellt hat – draußen an die Kirche gehängt hat oder der Nachbar hat sie sich geklaut, und sich eine Fußbodenplatte daraus gemacht. Belegt ist wirklich 1828 wurde der Friedhof hier aufgegeben aber nicht aufgelassen. Es ist heute auch so – wenn der Friedhof nicht mehr belegt wird, es gibt die Ruhezeiten, 25 – 30 Jahre und so lange existiert der Friedhof.

Aus dem Fenster kann man einen Blick auf das Pfarrhaus werfen, das da stand, an der Stelle. Die Sakristei, die man 1735 da an dem Osten gebaut hat, an die Ostwand, die stand vorher an der Nordwand, dort, wo jetzt die Autos stehen.

Diese Kirche war ein Rechteck, hatte kein Chor, keine Apsis, keinen runden Abschluss nichts. War einfach quadratisch, praktisch, gut und vorne noch ein Turm. Der Turm den wir jetzt haben, ist von 1844 (43-44) und damit ist es im klassizistischen Stil geworden. Wenn man draußen sich das Portal anguckt ist dann der Baustil dieser Zeit – Anfang des 19. Jahrhunderts. Jede Zeit baut so, wie der Stil, in dem man lebt, es vorgibt. Daran merken wir, wir sind auch nur Teil einer großen Zeit. Wir sagen – ja, früher war alles schöner, das sind unsere schönen Bilder von der Kindheit und die schönen Bilder unserer Jugend. Alles hat seine Zeit.

Aber noch zurück zu Friedhof – den Friedhof hat angelegt ein Schüler von dem berühmten barocken Landschaftsgärtner Lenné. Sie kennen das Lenné-Dreieck in Berlin. Lenné hat die Gärten in Berlin gemacht, den Lustgarten z.B. vor dem Berliner Dom und vor dem alten Museum. Ein Schüler, dessen Name Wilkes glaube ich war, der war in Düsseldorf, Schüler von Lenné, hat diesen Friedhof angelegt. Wenn Sie heute über den Friedhof gehen merken Sie, dass der obere Teil, das hier, ein kostbares, ein Kunstort ist. Die Kapelle, die wir jetzt da haben, ist von 1901. Vorher gab es eine kleine Rotunde, wie es heißt in den Büchern – wenn es regnet um sich unter zu stellen bei der Traueransprache, Trauerrede. An der Stelle, an der diese Rotunde war, also ein Rundbau, ein Tempelchen, so hieß es, ist 1901 die Kapelle gebaut worden. Später, in den 50-er Jahren, ist sie dann erweitert worden, nach vorne raus. Man merkt dort einen Absatz. Das neue Teil des Friedhofs wurde in den 60-en Jahren erweitert, runter ins Tal.

Fragen: die Köpfe auf der Decke – das ist nur Schmuckeinfach hier, haben keine Bedeutung. so barocker Schmuck. Genauso diese Putten hier, manche sagen dazu Engel, mache sagen Putten, das ist so barocker „Kitsch“ würde man heute dazu sagen. Aber für damalige Zeit waren dies Köpfe als Abschluss dieser Zierblume gedacht.

Von hier oben wirkt die Kirche noch mal größer und schöner. Jetzt wirkt der Raum. Jetzt haben wir den Raum über uns, den man unten nicht so sehr spürt. Wir haben schon mal hier oben ein Gottesdienst gemacht, dass wir die Gemeinde nach oben geholt haben, vorne ein Tischchen hingestellt, Kerzen – man bekommt anderes Gefühl für diesen Raum. Der wirkt hier ganz anders. Könnte man ja wiederholen.

Sie werden wahrscheinlich Bilder haben, als der Turm noch im Naturstein war. Das mit dem weißen ist es erst in den 50-er Jahren gekommen, 1958 glaube ich, oder 1954. Es gibt schöne Fotos da ist der Turm und die ganze Kirche im Naturstein belassen – das ist Bruchstein, wie alle Häuser hier.

An den alten Fotos wirkt der Alter dunkel hier – in den 50-er Jahren hat man den Altar z. T. wieder freigelegt. 1956-58 war hier die große Renovierung in der Kirche, weil sie auch in der Zeit der Besetzung in Voerde in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es gab für die displayed Persons, also die Kriegsgefangenen und Menschen, die auf der Flucht waren, haben die Alliierten hier so ein Lager eingerichtet. Viele von den alten Voerdern sagen, dass der Krieg in Voerde begann erst Mai 1945, mit der Evakuierung bis 1948. Da haben die Menschen auch hier in der Kirche gehaust. Da ist auch einiges kaputt gegangen. Vieles wurde beschädigt – die Köpfe fehlten zum Teil, die Schwerter fehlten (Kommentar aus dem Publikum). Deswegen hat man 10 Jahre später 1956-58 die Kirche renoviert. In diesem Zusammenhang ist sie weiß gestrichen worden.

Frage – ist die Kirche im 2-ten Weltkrieg verschont worden? Oben in der Hinnenberger Str. wo die Familie Sturm wohnt, gegenüber der Fliegenburg, das Haus auf der re. Seite, was auf der Höhe steht, das letzte Haus rechts, bevor die Gärten kommen, da ist eine Bombe gefallen, da gab es Tote. Ansonsten ist Voerde vom Krieg nicht behelligt worden. Das war ein Versehen – da hat ein Flieger eine Bombe verloren.

Zum Glockenturm können wir nicht gehen, weil da oben kein Platz für so viele ist. Aber wir machen im September noch mal, also biete ich die Führung zum Glockenstuhl in kleinen Gruppen. Oben der Glockenstuhl muss erneuert werden, weil 1917 im ersten großen Krieg, die bronzen Glocken abgegeben worden sind. Das war damals so üblich, dass die Kirchenglocken von den Gemeinden abgegeben werden mussten. Man hat sie gebraucht für die bronzenen Kanonen schmieden. Dann hat man das Geläut rausgenommen. Nach dem Krieg, im Herbst 1919. genau vor 100 Jahren, sind 4 neue Glocken reingekommen. Man hat damals billige und schnelle Lösung gemacht – man hat Harteisenguss Glocken gegossen von Firma Beule. Man hat Gusseisernen Glockenstuhl mit drei Stuhlwangen, die miteinander verbunden sind. Und das ist genau das Problem – der Glockenstuhl muss aus Holz sein, weil die Schwingungen sonst direkt in den Turm übertragen werden. Da schwingen zwei Tonnen! Wenn Sie da oben sind und dir Glocken läuten, wackelt der Turm, der Turm schwingt. Aber es passiert nichts – es läutet seit 100 Jahren. Aber es ist ein Problem – auf die Zeit gesehen. Der eiserne Glockenstuhl ist ein Problem, weil er die Schwingungen nicht vernünftig verarbeitet und diese Glocken, diese Harteiserngussglocken haben die Haltbarkeit von 60-80 Jahren. Sie hätten schon längst „pling“ machen müssen und zerspringen. Man merkt, dass sie anfangen zu rosten, dass sie ausgeschlagen sind. Es ist nur Frage der Zeit, dass sie kaputt gehen. Deswegen machen wir das jetzt. Wir haben jetzt als Gemeinde beschlossen diese Glocken zu sanieren und zu erneuern. Da kommen neue bronzene Glocken rein und neuer Glockenstuhl aus Holz.

Man kommt von unten dran, genau so wie man vor 100 Jahren gekommen ist. Die große Glocke wiegt eine Tonne und hat ein Durchmesser von unten von 1 Meter 30 – habe ich selber gemessen. Die Öffnung, die Schalluke, hat eine Öffnung von 1 Meter 31. Das hat man genau so gebaut. Natürlich macht man an der Leibung was weg, also so kriegt man es nicht raus. Damals vor 100 Jahren hat man mit Flaschenzügen hoch gezogen. Da gab es keinen Autokran. Da stand ein Gerüst dran und das hat man mit Flaschenzügen hoch und mit Flaschenzügen rein. Also die Ingenieure von vor 100 Jahren waren fit. Das erste Geläut war von 1628. Der Ton war noch nicht so, aber gab schon immer Holzgerüste gehabt und draußen ein Flaschenzug. Jetzt machen wir es mit Autokran. Die Techniker, Ingenieure sagen, das kommt raus und wieder rein.

Wenn Sie das Geläut der katholischen Kirche kennen und genau hinhören, da klingt Bronze. Das sind Bronze Glocken. Und die klingt schön! Unser Geläut ist auch schön, aber hören Sie da mal hin und dann wissen Sie warum dort eigentlich die bronze Glocken hingehören.

(Stimme aus dem Publikum – mein Opa war Küster, wenn er nicht konnte und seine Frau nicht konnte, musste der älteste Sohn, mein Vater, die Stufen rauf und musste von Hand läuten. Er hat gesagt, wie viel Stufen es sind, das weiß ich nicht mehr.)

Bis zur der Glocken selber, hat letztens bei einer Führung jemand mitgezählt, 112 Stufen. Aber das ist die Höhe der Glockenstube bei der zweiten Schalluke, da wo die Glocken auch schwingen. Die Läutenstube war zwei Etagen tiefer, man sieht noch die Löcher. Die sind jetzt elektrisch geworden. Sie kann man programmieren.

(Frage aus dem Publikum – die Stimmung der einzelnen Glocken wird sie genau, wie sie jetzt ist?) Nein, ein bisschen wird sie verändert. Ich bin mit dem Glockenverständigen durch die katholische Kirche gekrochen. Er hat die Töne abgenommen – es ist interessant. Ich kann das Ihnen leider nicht zeigen an der Glocke – wenn Sie die Glocke oben anstoßen in der Mitte und unten hat sie immer andere Töne. Also andere Frequenzen. Erst der Gesamtklang ergibt den Ton. Er hat die Töne abgenommen an mehreren Stellen mit so einer Stimmgabel, an der er so ein „Eisen“ verschiebt. Es war hochinteressant. Und dann musste ich mitschreiben „C drei strich hoch sechs“ und weitere Anweisung gegeben.

Es wird ein bisschen was verändert, aber für uns nicht hörbar. Also höchstens für Leute mit absolutem Gehör hören ob das ein D oder A ist. Es ist aber schon in Auftrag gegeben – das Projekt läuft. Die ganze Sache kostet 120.000,00 Euro, wir machen es mit Spenden und Sie können sich dabei beteiligen. Freuen wir uns. Es sind vier Glocken und es kommen wieder vier rein. Sie wiegen ungefähr 2 Tonnen. Es gibt eine Glocke draußen die „Stundenglocke“ die wird nicht geläutet die wird angeschlagen – die ist von 1558 und die ist original – die haben sie 1917 nicht weggekriegt weil da keiner rangekommen ist. Die ist draußen am Turm. Da ist ein Zugseil drin – um halb mach einmal „gong“ da ist ein Hammer der haut daran, und um 2 Uhr hat zweimal reingehauen. Die „Sterbeglocke“ ist im Turm.

Wenn wir die Meldung kriegen, dass jemand verstarb, wird um 9 Uhr geläutet und dann ist das für den Verstorbenen des Vortags. Jedenfalls war das früher so. Und bei der Trauerfeier wird auch geläutet – fünf Minuten vor der Trauerfeier wird auch geläutet. Die Tradition ist, wenn wir wissen, heute stirbt jemand, wird morgen um 9 Uhr geläutet. Das 9 Uhr Geläut 5 Minuten – ist für einen Verstorbenen. Aber wir kriegen nicht jeden Verstorbenen gemeldet, das ist leider so. Bei der Trauerfeier wird auch geläutet – also fünf vor – wenn wir um 11 Uhr die Beerdigung haben, wird 5 vor 11 Uhr geläutet.

Die Kirchturmuhr ist ganz genau, die wird gesteuert elektronisch, sie geht nach der Tagesschau, also – wenn die Tagesschau „gong“ macht, macht hier oben der Stundenschlag „gong“. Wir haben ein altes Uhrwerk, ich kann das Ihnen leider nicht zeigen, kommen wir jetzt nicht hin, von Kaufhage aus Osnabrück-Melle, was 180 Jahre alt ist, was aufgezogen wird, wo dieses Uhrwerk läuft. Das ist kostbar hoch drei! Das werden wir auch sanieren, das ist aber die Handarbeit bei uns. Nur die Steuerung erfolgt über diesen elektronischen Impuls.

Wir machen einen Termin im September dann gehe ich auch mit Ihnen zu den Glocken, aber das kann ich nur machen in kleinen Gruppen machen. Sagen wir so 10 Leute und dann machen wir es in Stundenrhythmus. Müssen Sie es verfolgen – im Gemeindebrief, in der Zeitung, dann mache ich so ein Nachmittag dann kann man da hochgehen.

Die alten Glocken kommen ins Museum und zwar schenken wir diese alten Glocken dem Industriemuseum Ennepetal. In der alten Firma Kruse, Kruse gibt es nicht mehr. Es ist das verrückte, die Denkmalschützer und die Leute die das technisch betrachten im Vorfeld der ganzen Glockensanierung, da war ich ganz viel da oben, die haben leuchtende Augen gekriegt. Das kennen wir nur noch aus der Literatur, also dieses Gesamtkunstwerk von 1919. Das muss erhalten werden. Ich sagte – können Sie es haben, nehmen Sie mit. Nein! Unser Denkmalschutz sagt, wir kriegen nur dann die Genehmigung für die Erneuerung, wenn wir die Expertise erstellen und dafür sorgen, dass das erhalten bleibt. Da habe ich gesagt können Sie es gerne haben, schenke ich Ihnen, ne, ne! Sie kennen den Denkmalschutz, die haben nur Vorstellung und Taschen zugenäht. Wer bezahlt das? Denkmalschutz hat nur fromme Wünsche. Es ist jetzt geklärt – die sind zufrieden. Wir schenken es dem Industriemuseum, hätte schlimmer kommen können. Die Glocken, das wird wahrscheinlich im Frühjahr nächsten Jahres passieren. Das müssen die Ingenieure und Techniker machen, wie sie es dann händeln.

Lassen wir uns noch ein Blick draußen aufs Hauptportal werfen.

Die jetzige Führer-Orgel ist 1974 gekommen, mit dem Spieltisch hinter dem Altar.

Hier kann man einen Blick auf die Neugestaltung des Turms werfen. Der ist von 1844 und 70 Jahre später mit dem Bau der Treppentürme, links und rechts, sind dann diese klassizistischen Portale gekommen. Das ist dann wieder aus der Zeit von 1914. An den Seiten sieht man Spuren der Grabplatten an den Wänden.

Die Eingangstreppe ist kaputt, die muss repariert werden, die kann nicht repariert werden, weil nicht der Platz dafür da ist, die so zu bauen, wie sie heute ist. Es gibt für die Treppen ein Maß was den Auftritt und die Steighöhe angeht. Jetzt streiten sich die Denkmalbehörde und die Kirchengemeinde und die Stadt. Wenn man sie richtig bauen will, dann müsste und die Stadt ein Meter vom Bürgersteig abgeben um die länger zu machen. Das macht die Stadt natürlich nicht und wenn man sie hier reinbauen will, dann würde die Treppe hier unter dem Eingang rauskommen, was auch Quatsch ist. Jetzt verhandeln wir und irgendwann. Uns liebste Lösung ist wir machen die Treppe weg, ziehen die Mauer durch, wir haben da drüben eine repräsentative Treppe, die haben wir jetzt gemacht und fertig. Aber das ist so, wenn die Denkmalbehörde und viele Leute mitreden wollen dann wird es schwierig. Wenn ich könnte, wie ich wollte, hätten wir das schon längst geklärt.